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Erstellung von Leistungen in der Verwaltung

Die Bearbeitung von Anträgen in den Verwaltungen hat sich trotz der Digitalisierungsbemühungen der letzten Jahrzehnte nicht wesentlich verändert. Der Antrag eines:einer Bürger:in geht bei dem:der zuständigen Bearbeiter:in ein, diese:r öffnet ein Fachverfahren und beginnt mit der Bearbeitung im Fachverfahren. Hat ein:e Antragsteller:in beispielsweise schon mehrfach Anträge gestellt, gibt es bis heute noch begleitende Papierakten, die bei dem:der Bearbeiter:in entweder im Büroschrank stehen/hängen oder erst aus der Registratur („Aktenlager“) angefordert werden müssen. Bei letzterem wird die Bearbeitung in der Regel erst begonnen, wenn die Akten eingetroffen sind.

Fachverfahren sind IT-Produkte, die für die Bearbeitung von Leistungen in einem Verwaltungsbereich entwickelt wurden. Diese enthalten hinter mehr oder minder nutzer:innenfreundlichen Oberflächen grundsätzlich folgende Module: Daten der antragstellenden Person, fachspezifisches Modul sowie die Möglichkeit, Bescheide zu erzeugen. Zudem leiten sie den:die Sachbearbeiter:in durch den Bearbeitungsprozess, geben diesen also vor. Das fachspezifische Modul wurde auf Basis der aktuellen Rechtslage entwickelt und enthält z.B. bei Sozialleistungen Rechenwege, mit denen der:die Bearbeiter:in durch Eingabe der Parameter der antragstellenden Person automatisiert die Höhe der gewährten Leistungen erhält. Auch die Erstellung des Bescheids folgt den rechtlichen Bestimmungen.

Der Einsatz von IT-Anwendungen, die die Bearbeitung strukturieren, die über ein Berechnungsmodul gewährleisten, dass Bürger:innen mit den ähnlichen Bedürfnissen gleiche Leistungen erhalten und ganz am Ende rechtssichere Bescheide erstellen, ist an sich nicht zu beanstanden. Jedoch sind viele der bis heute eingesetzten Fachverfahren mit informatischen Methodiken erstellt worden, die jede Anpassung, z.B. bei Gesetzesänderungen, aufwändig und damit teuer machen. Außerdem wurden sie nicht für eine komplett vernetzte Umgebung konzipiert. Das bedeutet, schon die Anbindung an ein eAkte-System kann es erfordern, Schnittstellen erst komplett neu zu entwickeln. Ähnliches gilt bei der Umsetzung des Once-Only-Ansatzes: die Weitergabe von bestimmten Daten aus den Fachverfahren heraus, war schlicht nicht vorgesehen. Einzig statistische Daten können die meisten erzeugen. Den meisten Verwaltungen sind die Mängel der Fachverfahren bewusst, zumal deren Administration in der Regel Ressourcen bindet, die sie eigentlich in die Modernisierung der IT investieren wollen und müssen. Sie wissen aber auch um den Aufwand, der eine Ablösung für die Verwaltung bedeutet sowie um den Widerstand in den Fachbereichen, da sich die meisten Bearbeiter:innen gut mit den Fehlern und der Nutzer:innenunfreundlichkeit der Fachverfahren arrangiert haben.

Zusammengefasst sind Fachverfahren eigentlich ein Mittel zur Standardisierung des Vollzugs, die jedoch derzeit im Wesentlichen durch private Unternehmen erfolgt. Die Arbeitsschritte, die vor und nach der Bearbeitung in Fachverfahren erfolgen, sind sogar innerhalb eines Fachbereichs unterschiedlich, v.a. wenn andere Bearbeiter:innen oder Bereiche zu beteiligen sind – also weit weg von einer Standardisierung. Diese Heterogenität des Vollzugs ist das Ergebnis der föderalen Arbeitsteilung, bei der der Bund zwar das Gesetz in Kraft setzt, aber es den Ländern überlässt, wie diese vollzogen werden. Die Länder geben die Aufgabe dann an Vollzugsbehörden, z.B. Kommunen, die dann selbstständig entscheiden dürfen, wie sie diese Aufgabe abwickeln.

Man kann Fachverfahren als Nukleus eines standardisierten Vollzugs ansehen. Dazu sind die derzeitigen aufgrund ihrer konzeptionellen und informatischen Herkunft aus der Frühzeit der Digitalisierung nicht geeignet. Zudem behindern sie zunehmend die Umsetzung einer vernetzten Leistungserstellung. Daran ändern auch die Antragsstrecken nichts, die im Rahmen von OZG entwickelt werden. Denn diese Antragsstrecken liefern die Informationen, die vorher in ein Papierformular eingetragen wurden, zwar digital ins Fachverfahren, danach erfolgt aber die Bearbeitung auf herkömmliche Weise. Ein weiteres Problem dürfte sein, dass in einzelne Antragsstrecken wohl doch Länderspezifika eingebaut wurden, was deren Eignung als EfA-Leistung einschränkt. Korrekturen kosten zusätzliche Ressourcen und werden daher nur schwer umzusetzen sein. Außerdem basiert sie im Wesentlichen auf der Rechtslage der letzten Jahre, die einen volldigitalen Vollzug schlicht noch nicht vorgesehen hat, als sie in Kraft getreten ist. Die Anpassungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes können nur ein Zwischenschritt sein, die Fachgesetze sind zu ändern. Insofern ist zu fragen, ob die in OZG-Antragsstrecken angelegte Standardisierung tatsächlich ausreicht oder einfach nur die andigitalisierte Bürokratie der letzten Jahre fortschreibt und für die nächsten Jahre/Jahrzehnte zementiert.

Zusammengefasst sollte man den in Fachverfahren angelegten Gedanken der Standardisierung bei der Leistungserstellung nicht verwerfen, sondern den Begriff des Fachverfahrens für die vernetzte Leistungserstellung umwidmen. Das bedeutet, die derzeitigen den ganzen Bearbeitungsprozess abdeckenden Fachverfahren sind abzulösen und mit einzelnen Modulen mit erforderlichen Funktionalitäten zu ersetzen. Dieses Konzept ist für die Informatik nicht neu und wurde auch schon in einem ÖFIT-Whitepaper beschrieben. Diese Module können dann bspw. auch mit LowCode/NoCode-Plattformen entwickelt werden. Vorteil ist, dass Anpassungen schnell umgesetzt werden können. Diese Module verfügen dann auch über standardisierte Schnittstellen, die den Datenaustausch untereinander und die Verbindung einfach machen. Zum derzeitigen Zeitpunkt haben viele IT-Infrastrukturen, insbesondere die der Kommunen, aber keine Möglichkeit, solche standardisierten IT-Anwendungen anzubinden, da diese eher organisch gewachsen, wenig standardisiert aufgebaut und kaum dokumentiert sind.